ROBERT HARTING

Diskuswerfer

Berlin, Weißensee

Der zweifache Weltmeister und Olympiasieger im Diskuswurf wagte als 15-Jähriger den Sprung von Cottbus zur Leichtathletikgemeinschaft Nike nach Berlin. Heute lebt der 2012 und 2013 zum „Sportler des Jahres“ gewählte Athlet in Berlin-Weißensee.

Für welche Stadt schlägt dein Herz – für Cottbus oder für Berlin?

Berlin!

Warum?

Man darf ja immer nicht vergessen, wo man herkommt, und ich habe in Cottbus meine sportliche Zeitreise begonnen. Dort habe ich aber nie spürbar gemerkt, dass da irgendwelche Chancen für mich liegen.

Ich habe damals in Berlin einen Trainer kennengelernt, der als Bundes­trainer gearbeitet hat. In den habe ich mich sofort verliebt. Mit 15 bin ich dann nach Berlin gekommen – eigentlich eine waghalsige Nummer – und hier fing es sportlich so richtig an Sinn zu machen. Dann kamen auch die ersten internationalen Medaillen und ich wurde das erste Mal so richtig gefördert. Die ersten Fördergelder, die die Stadt in mich investiert hat, habe ich dann jahrelang versucht mit Medaillen zu amortisieren. Berlin war die erste Stadt, die so richtig an mich geglaubt hat! Ich hatte damals das Bauchgefühl: „Hier ist irgendwas!“, und dann hat´s ja auch geklappt. Und es ging alles gut.

Made in Berlin im Gespräch mit Robert Harting, Diskuswerfer

Kannst du dir vorstellen hierzubleiben und alt zu werden?

Klar! Ich gehe hier auch nicht mehr weg!

Nein?

Nö, warum? Wo soll ich auch hingehen?

Kurz und knapp: Was sind die „Ups“ und „Downs“ in deinem Sport?

Naja, ich betrachte das immer auch holistisch und sehe das so, dass man weder die guten noch die schlechten Sachen vergessen sollte. Der Moment des Lohns, wenn man die Medaille gewinnt, ist total schön. Aber ich bin auch nicht so blind und vergesse, wie das entstanden ist.

Die „Downs“ sind die Momente, die der Produktion dienen. Ein Testimonial im Leistungssport ist etwas anderes als ein Testimonial in der Schauspielerei. Ich muss jeden Tag dafür arbeiten, dass ich noch Testimonial sein kann. Der Schauspieler muss nicht jeden Tag trainieren, damit er international bestehen kann. Somit ist die Downside, dass alles so flüchtig ist, dass man jeden Tag der Sache Tribut zollt.

Das „Up“ ist natürlich dann, ganz klar, der Beste der Welt zu sein, was der Schauspieler wiederum nicht messen kann.

Olympiagold – wie lange hast du darauf hintrainiert?

Die Grundtrainingsjahre begannen schon 2004. Also im Prinzip zehn Jahre. 2006 war dann der erste Moment, wo ich sagen konnte: „Das ist möglich!“ Aber es gab nie den Moment, wo ich gesagt habe: „Das ist nicht mein Ziel!“

Wie wird man Sieger? Ist es Körper, Technik, Kraft oder Kopf?

Naja, ich sag mal so: Was du mit dem Körper kannst, muss der Geist ja letzten Endes irgendwie freigeben. Du kannst noch so stark sein, aber was du im Kopf nicht machst, machst du auch körperlich nicht. Es gibt so einen lustigen Spruch: Sport ist 90% mental, der Rest ist Kopfsache. In dieser Ironie lebst du auch wirklich als Sportler. Du kannst körperlich über dich hinauswachsen, klar, aber entscheidend ist der Kopf.

Lohnt sich Profisport heute noch?

Klar. Wenn du Profi bist, heißt das ja, du kannst davon leben. Insofern kommt es darauf an, welche Perspektive man nimmt.

Aber da muss man doch sicher Publicity betreiben, gerade für gute Werbeverträge, oder?

Das ist die Frage. Also ein Fußballprofi der 30- bis 40.000 Likes hat auf Facebook, der wird immer noch mehr verdienen als ein Profi im Judo, der nur 10.000 Likes hat. Und Publicity nach oben treiben, ich glaube, das bringt auch nichts, weil die Menschen sich die Leute aussuchen.

Ok, aber du bist ja auch sehr aktiv: Du bist Testimonial für einige Marken, deine Website wird stark frequentiert und du interagierst viel auf Facebook.

Ja, aber das ist vor allem auch, weil ich selber Langeweile hasse. Ich bin der Typ, der sich gerne unterhalten lässt, und das pflege ich auch sehr gerne in die andere Richtung. Aber ich betone noch mal, wenn du Profisportler bist, kannst du viel Geld verdienen, ohne dass du Publicity nötig hast. Du kannst als Profisportler aber auch einfach damit arbeiten und leben. Wie es mit meiner Person irgendwie auch nötig ist.

Wie lange kannst du den Sport noch ausüben und was kommt danach?

Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Momentan habe ich eigentlich eher Lust, im nächsten Jahr drei bis vier Ideen zu verwirklichen in Sachen Startups. Ob die mich dann natürlich beeinträchtigen, im sportlichen Sinne, muss man dann sehen. Generell kann man das – je nachdem wie der Körper mitarbeitet – bis 36 machen. Aber das habe ich nicht vor.

Kommen wir doch noch einmal auf Berlin zurück: In welchem Kiez treibst du dich am liebsten rum? Und warum?

In meinem.

Und das ist?

Weißensee. Ich mag es, in so einer riesengroßen Stadt markante Ecken zu haben. Ich mag es eigentlich überall in Berlin. Es gibt auch keine Sekunde, wo ich die Stadt nicht mag. Und es gibt keinen Ort, den ich meide. Ich hab eigentlich noch viel zu wenig gesehen. Aber ich bin halt hier in Berlin. Da leben meine Freunde, da leben wir. Das passt dann schon.

Für dich wäre Berlin perfekt, wenn ...

... wenn, alles so bleibt.

Wie bringst du Themen, die dir am Herzen liegen, innerhalb eines Salons ein?

Wenn ich entscheide bzw. aktiv werde, bin ich es ja gewohnt – aufgrund der Öffentlichkeit meiner Person – einfach sagen zu können, was ich will, und meine Meinung zu haben, ohne dass die in irgendeiner Form passen muss.

Das kann manchmal ein Problem sein. Das habe ich in vielen Sachen schon bemerkt, zum Beispiel bei der Deutschen Sportlotterie, die wir gegründet haben.

Das ist echt schwer, wenn ich irgendetwas entscheide, weil ich immer so 'ne harte Meinung habe. Da muss ich schon die Konsensfähigkeit etwas verbessern.

Durch mein Leben im Leistungssport muss und musste ich persönlich natürlich auch immer für mich Entscheidungen treffen. Man kommt halt schnell dazu, von sich selbst auf andere zu projizieren.

Ich war auch bei dem ersten Salon dabei und ich fand, dass das unter dem Katharsis-Motto läuft. Es waren dort viele Leute, die sich viel von der Seele gesprochen haben.

Da entsteht Produktivität. Berlin ist so vielfältig. Ich glaube, eine solche Initiative gehört einfach zu Berlin.

 

>>  Weitere Informationen über Robert Harting unter: www.derharting.de

Das Interview führte Claudia Bechstein.